Die Lager sind tief gespalten (2018)

Erschienen am 6. März 2018 im Kölner Stadt-Anzeiger

Wir senken den Altersdurchschnitt ganz ordentlich“, sagt die junge Frau zu ihren beiden Begleiterinnen. Mit rund 80 anderen CDU-Mitgliedern haben sie in der Aula des Rodenkirchener Gymnasiums Platz genommen und warten auf den Beginn der Versammlung. Vorstandswahlen des Ortsverbands Rodenkirchen, Weiß, Hahnwald stehen auf der Tagesordnung. Und wie genau der Abend verlaufen wird, ist ungewiss. Die Anwesenden raunen sich Andeutungen zu. Ein Theater sei zu erwarten. Andere mustern misstrauisch neue Gesichter, insbesondere die jüngeren.

Ein heftiger Streit, der bundesweit für Aufsehen sorgte, teilt den Ortsverband, vielleicht die gesamte CDU im Kölner Süden, in zwei Lager: Die bisherige Vorsitzende im Stadtteil und im Bezirk, Alexandra von Wengersky, auf der einen Seite, Oliver Kehrl, seit 2017 Mitglied des Landtags, auf der anderen. Wengersky hatte Kehrl und dem CDU-Bundestagsabgeordneten für den Kölner Süden, Heribert Hirte, unter anderem vorgeworfen, Wahlnomaden einzusetzen. Gemeint sind Mitglieder, die die Ortsverbände wechseln, um vor Wahlen einem bestimmten Kandidaten die Mehrheit zu verschaffen.

Hirtes Wahl in seinem Ortsverband in Sürth wurde bereits angefochten. Die Entscheidung des Parteigerichts dazu soll in dieser Woche fallen. Und auch in Rodenkirchen ahnen viele, dass sich Gerichte bald auch mit der Wahl an diesem Abend auseinandersetzen könnten.

Vor der Versammlung fällt der Gegensatz auf zwischen den altgedienten Herren im Wollsakko oder Pullunder und der jüngeren Fraktion, teilweise im mittleren Alter und mit Kehrl plaudernd im Foyer zu sehen, teilweise Anfang oder Mitte 20 und rund um einen Tisch gruppiert, an dem die Junge Union (JU) Getränke anbietet.

Ratsherr Stefan Götz übernimmt die Leitung der Versammlung und beim Rechenschaftsbericht erinnert Wengersky an die Umstände, unter denen er sein Mandat erlangt hat: Durch die Neuauszählung in einem Rodenkirchener Stimmbezirk sei der entscheidende Sitz erkämpft worden, der die Kooperation im Rathaus möglich gemacht habe. „Und diese eine Stimme sitzt hier“, sagt Wengersky, deutet auf Götz, der damals nachgerückt war. Stolz auf den Vorstand könne man sein, sagt einer aus Wengerskys Lager in einer Wortmeldung am Ende des Berichts. Dass sie die Mehrheit der Anwesenden nicht wird überzeugen können, ist bereits zu spüren.

Kehrls Lager ist gut vorbereitet. Mitglieder der JU – Vorsitzender im Stadtbezirk ist der ebenfalls anwesende Sohn von Heribert Hirte Alexander – und Vasilis Pavegos, Bezirksvertreter und Mitarbeiter von Kehrl, haben Zettel verteilt mit einem Vorschlag für den neuen Vorstand. Bilder zeigen die Gesichter zu den fünf Namen. Kehrl selbst, dessen Kandidatur im Raum stand, verzichtet.

Ganz oben steht Yannik Breuer. Der 23-jährige Jura-Student, Stellvertreter von Alexander Hirte in der JU und Unterbrandmeister der Löschgruppe Rodenkirchen, tritt gegen Wengersky an und wird sich mit 52 zu 24 Stimmen durchsetzen. „Ich wünsche mir einen Neuanfang für den Ortsverband“, sagt er in seiner Bewerbungsrede. Wengersky wirbt mit inzwischen heiserer Stimme für sich. „Wir brauchen mehr Frauen, mehr Junge, aber auch die Senioren. Wir brauchen alle Altersklassen“, sagt sie. Dann wird es hässlich: Beide Lager werfen sich fehlende Bereitschaft zur inhaltlichen Arbeit und mangelnden Einsatz beim Straßenwahlkampf vor.

Kehrl und Hans-Joachim Voges hatten zwischenzeitlich den Raum verlassen. Sie bilden an diesem Abend die Mandatsprüfungskomission. Voges hatte im Vorfeld öffentlich Partei für Wengersky ergriffen. Anhand der Anwesenheitsliste sollen sie feststellen, wie viele stimmberechtigte Mitglieder im Raum sind. Grundlage ist die Mitgliederliste der Kreispartei, die vor Eintritt in den Saal jeder unterschreiben musste. „Gab es Streit über die Zahl der Wahlberechtigten?“, fragt Götz, als die beiden den Raum wieder betreten. Kehrl verneint und gibt die Frage an den kurz abgelenkten Voges weiter. „Gab es Streit, Herr Voges?“ Auch er verneint.

Wie groß das Misstrauen ist, zeigt sich aber, als Breuer nach seinem Wohnort gefragt wird. Er gibt die Lechenicher Straße in Sülz an. Der künftige Vorsitzende ein Wahlnomade? Voges raunzt etwas, das als Vorwurf in dieser Richtung aufgefasst werden kann. Kehrl hat genug. Er beantragt, die Debatte zu beenden. Eine große Mehrheit stimmt zu.

Die Satzung der CDU schreibt vor, dass Mitglieder in dem Ortsverband aufgenommen werden, in dem sie wohnen. Begründete Ausnahmen sind zugelassen. Breuer wurde 2015 unter Wengersky in den Ortsverband aufgenommen und war zuletzt einer ihrer Stellvertreter. Darauf angesprochen sagt er, er sei in Rodenkirchen geboren und aufgewachsen. Sein Lebensmittelpunkt liege hier.

Versucht man den auf die Personen bezogenen Lagerkampf auszublenden, zeigt sich an diesem Abend vielleicht auch eine andere Konfliktlinie. Während der Wahlgänge setzt sich einer der älteren Herren neben eine der drei jungen Frauen, die sich schon zu Beginn wenig wohl fühlten. Er weist sie ungefragt darauf hin, dass Politik keine Spaßveranstaltung sei. Er erwähnt die Medienberichte der vergangenen Wochen und benutzt das Wort Söldner, ohne Zweifel daran zu lassen, dass er seine Gesprächspartnerin meint. „Sie nehmen sich ganz schön viel raus“, sagt die junge Frau und lässt ihn stehen. Gestimmt hat sie für den Kandidaten in ihrem Alter: Yannik Breuer.

CDU Rodenkirchen, kurz nach der Vorstandswahl

„Ich wünsche mir einen Neuanfang für den Ortsverband“

Yannick Breuer

„Sie nehmen sich ganz schön viel raus“

Junges CDU-Mitglied